Die richtige Haltung zum Homeoffice
oder Tipps für einen entspannten und mobilen Rücken von Ihrer Chiropraktikerin
Letzte Woche habe ich das erste Mal Homeoffice gemacht. So bald brauche ich das nicht wieder. Es lag auch nicht an Corona, dass ich Unterlagen mit nach Hause genommen habe. Meine Kern-Arbeitszeit in der Praxis hatte für die Administration schlicht nicht gereicht. Ich holte also meine Zwerge vom Kindergarten ab, der sie auch im Lockdown dankenswerterweise betreut, und lockte mit Waffelbacken, wenn sie mich für eine Stunde in Ruhe arbeiten lassen würden. Das Ergebnis war erst einmal, dass sie um mich herum tanzten und versuchten, meine Aufmerksamkeit zu erregen, aber angesichts meiner Hochernsthaftigkeit beim Bearbeiten von langweiligen Listen trollten sie sich tatsächlich bald. Im „Ohrenwinkel“ nahm ich noch wahr, dass sie sich ungefähr alle fünf Minuten vor der Küchenuhr versammelten und über den großen und den kleinen Zeiger diskutierten und wie lange es noch bis 16 Uhr sei. Wir üben das gerade.
Fazit Nr. 1: Mein Respekt für alle Eltern, die gerade die ganze Zeit von Daheim arbeiten und Kinder betreuen, ist noch einmal gestiegen.
Eine Stunde reichte natürlich nicht. Und versprochen ist versprochen. Deswegen mussten dann erstmal Waffeln gebacken werden. Danach ging es weiter mit Homeoffice. Da stellte ich schon fest, dass das Arbeiten am zu niedrigen Esstisch mit zu kleinem Laptop-Bildschirm wirklich nicht ergonomisch ist und mir langsam der untere Rücken weh tat. Also schnell aufs Sofa gewechselt. Das war erstmal angenehm für den unteren Rücken, dafür taten mir bald die Handgelenke und der Nacken weh.
Fazit Nr. 2: Homeoffice an ungeeigneten Arbeitsplätzen ist für für unseren Rücken ziemlich suboptimal.
Manche meiner Patienten machen das nun schon seit Monaten und zum Glück können wir mit regelmäßigen Justierungen und geeigneten Übungen die Folgen in Grenzen halten. Nichtsdestotrotz stellt das Homeoffice eine enorme Belastung nicht nur für unseren Bewegungsapparat dar. Für die Seele sind es vor allem die fehlenden menschlichen Kontakte während der Arbeitszeit oder in den Pausen. Manche Arbeitnehmer erleben auch gerade eine massive Veränderung ihres Tätigkeitsgebietes, was wahlweise zu Burn-Out durch Überforderung oder Bore-Out durch Langeweile führen kann. Beide Zustände aktivieren Stressreaktionen in unserem Körper und im besten Fall verfügen wir über ausreichend körperliche und mentale Ressourcen, um uns damit durch die Krisenzeit zu hangeln.
Für alle Homeoffice-Geplagten stelle ich heute meine beiden Lieblingsübungen vor: praxiserprobt und von meinen Patienten für hilfreich empfunden.
Und Sie brauchen dafür noch nicht einmal aufzustehen!
Übung 1:
Den Nacken entspannen: Beginnen Sie mit Nicken. Wenn es angenehm ist, können Sie den Bogen größer werden lassen. Ich empfehle aber nicht, den Kopf zu weit nach hinten zu biegen. Gehen Sie über zu sanften Drehungen nach links und rechts und auch hier bitte keine ruckartigen Bewegungen. Als Drittes beschreiben Sie Halbkreise. Stellen Sie sich vor, Sie wollen mit dem Kinn von der Ecke links oben hinter Ihnen nach unten über das Brustbein und dann nach oben rechts in die Ecke. Bei dieser Übung gleiten Sie durch die Ebenen der Facettengelenke. Spielen Sie mit der Krümmung des Halbkreises und Sie merken, wie Sie gezielt durch die Etagen der Halswirbelsäule gehen können. Diese Übung wird als sehr angenehm und erleichternd empfunden. Kleiner Zusatz, weil oft gefragt: Die isolierte Seitneigung des Kopfes nach links und rechts, möglicherweise mit Ziehen am Kopf, empfehle ich gar nicht. Die Muskeln, die man dabei lang zieht, reagieren oft reflektorisch mit Zusammenziehen, und das will man ja nun gar nicht!
Übung 2:
Diese Übung habe ich von meiner Trainerin Meike König gelernt. Vielen Dank @meikekönigbewegt. An die Stuhlkante vorrücken (sollte man sowieso immer). Oberkörper aufrichten, Arme nach vorne ausstrecken, Hände sanft ineinander verhakeln, nach außen drehen und über den Kopf führen. Und schon sind wir im beliebten Hochturm, der schon eine Herausforderung an sich sein kann. Um unsere Brustwirbelsäule zu mobilisieren und den Rumpf zu dehnen, geht es nun im sanften C-Bogen wenige Grad nach rechts. Hier angekommen, drehen Sie ein wenig nach links oben auf. Atmen nicht vergessen und Schultern fallen lassen. Die linke Seite sollte jetzt schön lang sein, achten Sie aber auch darauf, die rechte Seite nicht zu sehr zu stauchen und fächern die Rippen dort bewusst auf. Ziel ist, dass die rechte Seite des Brustkorbs genauso lang wie die linke ist. Kaum vorstellbar, aber machbar. Ich übe auch noch daran! Das Ganze zur anderen Seite und nach Belieben wiederholen.
Übung 3:
Wenn Sie die beiden vorhergehenden Übungen gemacht haben, bleiben Sie einfach im Hochturm. Anderenfalls Arme nach vorne ausstrecken, Hände entspannt ineinander verschränken, nach außen drehen und über den Kopf führen. Der Rücken ist jetzt schön lang. Rumpf, Oberschenkel und Unterschenkel stehen jeweils im 90-Grad-Winkel zueinander. Von hier aus das linke Knie mit kleinen Pulsen nach oben ziehen. „Das Knie FLIEGT nach oben“, würde meine Trainerin (@meikekönig) sagen. Die Bewegung sollte federleicht sein und wenn das Bein hoch genug ist, drehen Sie den linken Unterschenkel ein und legen den Fuß auf dem rechten Bein ab. (Na gut! Dabei darf auch ein bisschen geschummelt und die Hände zur Hilfe genommen werden.) Die linke Hüfte ist jetzt richtig schön ausgedreht und von hier aus beginnen Sie, den Oberkörper – mit langem Rücken natürlich – nach vorne zu neigen. Die Dehnung spüren Sie – vermutlich unterschiedlich stark – im unteren Rücken, dem Gesäß und den Oberschenkeln, und sie sollte wohltuend und nicht schmerzhaft sein.
Übung Nr. 4:
Mein Favorit. Nachdem die Wirbelsäule so viel Aufmerksamkeit bekommen hat, geht es schnell noch einmal zu den Füßen. Hier sind ein paar Ideen, wie Sie die Kollegen am unteren Ende Ihres Wunderwerks Körper mobilisieren können. Beginnen Sie zum Beispiel mit Strecken und Anziehen der Füße. Die Sprunggelenke in beiden Richtungen zu drehen, ist auch eine feine Sache. Genauso können Sie das Sprunggelenk mit einer Hand fixieren und mit der anderen Hand den Mittelfuß drumherum kreisen, aber bitte vorsichtig! Sanfte Scherbewegungen im Mittelfuß und Vorfuß sind eine gute Alternative, wem das Kreisen und „Auswringen“ zu viel ist. Wenn Sie mögen, bewegen Sie schließlich jede Zehe einzeln durch. Danach sollten sich die Füße richtig gut anfühlen und wer noch nicht genug hat, geht noch einmal zu meinem Blogbeitrag vom November. Da gibt es noch mehr Ideen, um die Füße zu stärken. Übrigens: Wer seine Füße trainiert, tut auch ganz viel für sein Gehirn. Unsere Füße und Sprunggelenke sind wie unsere Hände reich mit Nervenendigungen versorgt. Ist ja auch wichtig, genauestens zu wissen, was da unten vor sich geht! So eine kleine Fußmobilisation gibt dem Gehirn wunderbare Stimulation, die es genauso braucht wie Sauerstoff und Nährstoffe.
Übung 5: Arme schwingen
Mit dieser Übung kann man wunderbar den Schultergürtel und die Brustwirbelsäule mobilisieren. Ich mache die Übung lieber im Stehen, aber zur Not geht es auch im Sitzen. Wichtig: An die Stuhlkante rücken und aufrichten. Die Arme schwer an den Seiten hängen lassen. Die Schulterdächer ziehen nach außen und unten. Jetzt kleine Vor- und Zurückbewegungen mit den Armen machen, immer gegenläufig. Wenn rechts nach hinten schwingt, geht links nach vorn und so fort. Die Bewegung soll klein, weich und ohne Anstrengung sein. Handgelenk und Ellenbogen machen gar nichts. Der Drehpunkt ist unterm Schulterdach am Oberarmkopf. Wenn die Arme praktisch ohne Kraft schwingen, können Sie anfangen, den Oberkörper mitzunehmen, genau genommen die Brustwirbelsäule. Ist der linke Arm hinten, öffnet der Brustkorb nach links. Rechts genauso.
Übung 6: Lange Arme
Ausgangsposition: Aufgerichtet an der Stuhlkante. Die Schultern fallen lassen. Die Arme zu den Seiten ausstrecken. Mit der Einatmung die Ellenbogen ein paar Zentimeter locker durchhängen lassen. Mit der Ausatmung die Fingerspitzen nach außen ziehen. Ellenbogen und Handgelenke bleiben weich. Mit der nächsten Einatmung die Ellenbogen wieder durchhängen lassen. Ausatmen – Fingerspitzen ziehen nach außen, und jetzt noch die Schlüsselbeine weit werden lassen. Beim nächsten Durchgang den Fokus auf die Schulterblätter legen. Sie dürfen ganz weich in den Rücken gleiten.
Übung 7: Ententanz
Faszientraining muss wirklich nicht weh tun! Eine klassische Übung, um die Faszien der Rippen zu lockern, ist das Ausklopfen mit den Oberarmen. Hände locker auf die Schultern legen und schwungvoll loslegen. Stellen Sie sich den Brustkorb als Trampolin für die Oberarme vor. Eine halbe Minute sanftes Ausklopfen reicht für den Anfang, langsam auf eine Minute steigern. Danach können Sie wahrscheinlich nicht nur besser atmen, sondern müssen auch herzlich lachen!
Aber Achtung: Nur mit dem Eigengewicht der Arme arbeiten. Keine Muskelkraft einsetzen und den Brustkorb verhauen! Es soll schon blaue Flecken gegeben haben.
Mehr zum Thema Faszientraining
Übung 8: Hüfte mobilisieren
Eine wunderbare Übung, um das Hüftgelenk zu mobilisieren und gleichzeitig an der Beinachse zu arbeiten, ist der Langsitz. Also ab auf den Boden. Beine nach vorne ausstrecken. Wenn Sie den Rücken noch nicht ganz gerade halten können, nicht schlimm. Nur schmerzen sollte es nicht. Die Füße im Grundgelenk flexen. Die Zehen sind aber entspannt. Die Achillessehnen sind lang, die Kniekehlen sinken sanft in den Boden. Jetzt erstmal die Oberschenkel bearbeiten. Soll heißen, die großen Muskeln dürfen entspannen. Tun sie aber meistens nicht. Deswegen beherzt die großen Muskelmassen auf der Vorderseite mit beiden Handflächen nach außen und unten schieben. Das braucht vielleicht ein paar Wiederholungen und Nachdruck. Die Rückseiten dürfen auf dem Boden Pause machen. Wenn das Bein schwer am Boden liegt, kleine Drehungen aus der rechten Leiste beginnen. Dabei dreht sich das ganze rechte Bein mit und der Fuß winkt von innen nach außen. Knie und Sprunggelenk bleiben entspannt – lassen die gesamte Bewegung einfach durch. Vielleicht bemerken Sie ja, dass Sie langsam das rechte Bein aus der Leiste herausschrauben und es länger wird als das linke. Deswegen das Ganze jetzt noch mit links und munter schrauben!
Überrascht von der eigenen Wirbelsäule
Anatomie-Exkurs beim Ersttermin
Neulich erklärte ich einem Patienten, der zum ersten Mal in meiner Praxis war, Aufbau und Funktion der Wirbelsäule. Interessiert schaute er sich mein Modell der Wirbelsäule an und ich erläuterte ihm dabei die Anatomie:
Jeder Wirbel besteht grundsätzlich aus einem Körper und einem Bogen. Zusammen bilden sie eine Öffnung und man kann sich vorstellen, dass viele Wirbel aneinander gereiht mit ihren Löchern einen Kanal ergeben. Voilà, hier ist Ihr Wirbelkanal und darin verläuft Ihr Rückenmark, die Verlängerung Ihres Gehirns. Zusammen sind sie das Zentrale Nervensystem, unsere oberste Steuerzentrale. Stellen Sie sich einfach vor, dass Ihr Rückenmark für die Weiterleitung von Informationen so wichtig ist wie die Aorta, die vom Herzen abgeht, für die Versorgung mit Blut.
Womit wir auch schon die erste Aufgabe unserer Wirbelsäule zusammen mit unserem Schädel geklärt hätten: Schutz unseres Zentralen Nervensystems.
Die zweite Aufgabe unserer Wirbelsäule ist naheliegend: Stabilität für unseren Rumpf. Und die dritte: Beweglichkeit für unseren Rumpf. Und wenn Sie jetzt ahnen, dass wir uns der Quadratur des Kreises nähern, liegen Sie nicht falsch.
Erinnern Sie sich an den Aufbau eines Wirbels? Körper und Bogen. Tatsächlich erkennt man den Bogen (außer am ersten obersten Halswirbel) kaum noch, weil so viele Fortsätze an ihm hängen: nach oben, nach unten, nach links, nach rechts und nach hinten. Zwischen diesen Fortsätzen spannt sich ein komplexes Fasziennetzwerk auf und die Wirbel können so außerdem untereinander Gelenke miteinander bilden, die sogenannten Facetten. Manche kennen diesen Begriff aus Ihrem MRT-Befund, leider oft im Zusammenhang mit Verschleiß und ja, es sind echte vollwertige Gelenke, die bei unsachgemäßem Gebrauch nunmal genauso Arthrose bekommen wie Knie- oder Hüftgelenke.
Als ich meinem Patienten weiter erläuterte, dass jeder Wirbel vier Gelenke mit seinen Nachbarn bildet, nach oben, nach unten, nach links und nach rechts und das Ganze bummelig über 25 Etagen und dazu die Gelenke der Brustwirbelsäule mit den Rippen kämen und schließlich noch die komplizierten Kopfgelenke, entfuhr es ihm: „DAS KANN NICHT FUNKTIONIEREN!“
„Doch kann es!“ erwiderte ich. „Denn die Konstruktion unserer Wirbelsäule ist ein Meisterwerk!“
Und doch ist es gut, wenn Ihre Chiropraktorin nur einen Anruf weit entfernt ist. Denn Ihre Wirbelsäule verdient Pflege, damit Sie nicht nur Schmerzen vorbeugen, sondern Ihr Körper mehr Wohlbefinden erfahren kann. Und auch die inneren Organe profitieren aus meiner Erfahrung von einer gut justierten Wirbelsäule, die, wie wir gesehen haben, eine Leitstruktur und Schaltstelle für unser Nervensystem ist.
Wenn Sie Fragen haben, sprechen Sie mich gern an. Gern schauen wir auch zusammen, welche Übungen noch gut geeignet für Sie sind.
Herzlich
Ihre Marei Schachschneider